AVENIR
Frieder Dähnhardt(39) // Kristin Jordan (34) // Max Willem Timm (33) // Ruth Jeckel (27)
Wohnort: alle in Lüneburg
Beruf: Barista Antifascista // Agile Coach, Barista, Mutter, Piratin // Röster, Pizzabäcker, Barista, Pirat // Studentin der Nachhaltigkeitswissenschaften
Unternehmen/Positionen: Das Avenir. Wir starten gerade als Kollektiv, was u.a. bedeutet möglichst hierachiefrei und gleichberechtigt zusammenzuarbeiten. Unser aller Position ist: Kollektivist*in.
Standort: Lüneburg
Frieder: Beides, obwohl ich zugeben muss, dass die Sorgen beim Blick in die Zukunft gerade überwiegen. Meines Erachtens nach lassen sich viele Krisen der heutigen Zeit – Klimakrise, Umweltzerstörung, Fluchtbewegungen, eine immer stärker auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich – um nur einige zu nennen, in großen Teilen als Ergebnis eines neoliberalen Spätkapitalismus lesen, der seinem Ende entgegen steuert. Ich glaube, wir werden weder im privaten Leben noch unternehmerisch an diesen Fragen vorbeikommen. Das betrifft uns alle. Die Probleme sind struktureller Natur und tiefgreifend, wenn man sie an deren Ursache angehen möchte. Leider sind solche gesellschaftlich-strukturellen Veränderungen erfahrungsgemäß träge und gleichzeitig läuft uns die Zeit davon. Aber mit Pessimismus kommen wir ja auch nicht weiter. Ich sehe gerade auch sehr Vieles, das in Bewegung kommt und viele engagierte Menschen. Das macht Mut und ist sehr inspirierend. Unser Ziel mit dem Avenir ist es, Teil dieser Veränderung zu sein.
Kristin: Beides. Die Klimakrise und die zunehmende Spaltung der Gesellschaft bereiten mir große Sorge. Unser aktuelles kapitalistisches System ist an seine Grenzen gekommen und wir versuchen es trotzdem mit aller Kraft aufrechtzuerhalten. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Menschen, die sich aktiv in einen gesellschaftlichen Transformationsprozess einbringen und Mut haben, Dinge zu verändern. Das inspiriert und motiviert mich. Mit dem Avenir versuchen auch wir, mit gängigen Systemen zu brechen und neue, zukunftsfähige Wege aufzuzeigen. Insofern bin ich auch voller Vorfreude auf das, was vor uns liegt.
Max: Vorfreude auf den Frühling.
Ruth: Beides. Sorge, weil es offensichtlich ist, dass sich in unserer Gesellschaft einiges drastisch verändern muss. Und das am besten gestern. Die Freude kommt dann auf, wenn ich mit Menschen über Visionen und Pläne für eine nachhaltigere Zukunft spreche und diese vielleicht sogar mit umsetze – wie z.B. mit dem Avenir Kollektiv. Das gibt mir Hoffnung und Energie.
Frieder: Einen raschen Kulturwandel: Ich glaube, wir brauchen eine Kultur, die Lust auf die Umsetzung von Visionen macht und die möglichen positiven Effekte von Veränderungen fokussiert, statt Ängste und Unsicherheiten zu schüren. Und diesen Kulturwandel brauchen wir schnell, wenn wir die notwendigen Veränderungen angehen wollen.
Kristin: Die größte Herausforderung ist aus meiner Sicht die Klimakrise. Und der Umgang mit dieser, der noch an zu vielen Stellen von machtpolitischen Interessen, Verlustängsten, Mutlosigkeit und Ignoranz geprägt ist.
Max: Trotz der langen ToDo-Liste den Spaß an der Freude beizubehalten.
Ruth: Die größte Herausforderung sehe ich darin, dass unsere Gesellschaft ständig in allem größer und besser werden will. Das wird nicht mehr lange funktionieren.
Frieder: Ich wünsche mir für Lüneburg urbane Freiräume und Orte, die nicht von vornherein einer kapitalistischen Verwertungslogik unterworfen sind. Orte, an denen Menschen sich ausprobieren können und an denen Kultur Raum hat von unten zu entstehen und zu wachsen. Oder anders gesagt: ich wünsche mir wirksame Maßnahmen gegen Gentrifizierung und immer weiter steigende Mieten und ein Ende der Privatisierung von öffentlichem Eigentum. Eine Stadt, die nicht verdrängt, sondern inkludiert. Und ich würde mir wünschen, dass Lüneburg mutige Schritte für Umweltschutz und Klima geht: eine autofreie Innenstadt, eine konsequente Priorisierung und Förderung des Radverkehrs, wilde Begrünung als Maßnahme zum Schutz von Insekten und zum Erhalt von Artenvielfalt.
Kristin: Aktuell ist mein größter Wunsch, dass Lüneburg einen Maßnahmenplan erarbeitet, wie die Stadt bis 2030 klimaneutral wird. Wir müssen lokal die Themen vorantreiben, die in Berlin zu wenig ambitioniert verfolgt werden. Mit der aktuelle Klimapolitik der Bundesregierung werden wir das 1,5-Grad-Ziel verfehlen. Nun müssen die Städte und ihre Bürger:innen aktiv werden! So auch wir in Lüneburg.
Max: Eine grüne Bürgermeisterin, eine autofreie Innenstadt oder zunächst Tempolimit, gut befahrbare Fahrradwege.
Ruth: Mehr (kulturellen) Raum für ein Miteinander für alle* Menschen, mehr Flächen für mehr Artenvielfalt und eine möglichst autofreie (Innen-)Stadt.
Frieder: Im Avenir. Mit Doppio in der Hand.
Kristin: So lange plane ich nicht. Die Welt verändert sich so schnell, dass mir lange Pläne nicht sinnvoll erscheinen. Außerdem ergreife ich gerne spontan Gelegenheiten, die sich ergeben. Ein nachhaltiges Café zu gründen und mich für umwelt- und sozialverträgliches Wirtschaften einzusetzen, war auch nie mein „Plan“ – sondern es war an der Zeit, es zu tun.
Max: Am Röster stehen und exzellenten Kaffee trinken.
Ruth: Da ich auch nicht weiß, wo ich mich in 2 Jahren sehe, kann ich dazu nicht viel sagen.
Frieder: Vielleicht am ehesten das in der Gegenwart, weil es das Ich ist, das aktiv sein und verändern kann. Aber ohne Vergangenheit hätte das Jetzt kein Rückgrat und keine Richtung. Und ohne Zukunft kein Ziel. Vielleicht ist es doch der Dreiklang, der mir ganz gut gefällt.
Kristin: Mir ist mein Gegenwarts-Ich am liebsten. Es ist das einzige Ich, das in der Lange ist, zu gestalten.
Max: Gegenwart, weil es gerade gut ist.
Ruth: Das Ich der Gegenwart. Nur in der Gegenwart kann ich leben, lernen und etwas verändern.
Frieder: Im Moment das Avenir als Ort, an dem wir probieren, Dinge und Strukturen zu hinterfragen und Alternativen auszuloten, um unserem Ziel des sozial- und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftens näherzukommen.
Kristin: Mit dem Avenir haben wir ein Ladencafé und eine Rösterei geschaffen, in denen sozial- und ökologisch-nachhaltiges Wirtschaften im Mittelpunkt steht. Wir leben als Unternehmen alternative Strukturen, die zum Wohlergehen aller und zum Erhalt einer lebenswerten Umwelt beitragen. Darüber hinaus engagiere ich mich aktiv für den Klimaentscheid Lüneburg, mit dem Ziel, dass Lüneburg bis spätestens 2030 klimaneutral wird.
Max: Auf mein Bauchgefühl hören.
Ruth: Ich versuche die Werte der Nachhaltigkeit in möglichst viele tägliche Entscheidungen mit einzubinden. Um besser zu verstehen, wie das aussehen kann und was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet, habe ich mich vor 2 Jahren für das Studium der Nachhaltigkeitswissenschaften entschieden.
Frieder: Im Avenir. Mit Doppio in der Hand.
Kristin: Als diejenigen, die nicht tatenlos zugesehen haben und die mahnenden Worte der Wissenschaftler:innen ignoriert haben, sondern an eine Generation, die mutig bestehende Strukturen und Konzepte hinterfragt hat.
Max: An den größten Piraten aller Zeiten. (Ja, es gibt auch gute Piraten)
Ruth: Sie sollten sich nicht unbedingt an mich, sondern ans Avenir erinnern. Als Ort für mehr Miteinander, zum Wohlfühlen und natürlich auch als Ort mit richtig gutem Kaffee.
Frieder: Eine solidarische Welt, in der die Paradigmen von Wachstum und Profitmaximierung der Vergangenheit angehören und sich Handeln und Gestaltung stattdessen an sozialen und ökologischen Fragen des Wohls aller orientieren und messen.
Kristin: Einen grünen Planeten, auf dem alle solidarisch miteinander leben. Eine Menschengemeinschaft, in der Gleichberechtigung zwischen allen Geschlechtern herrscht und in der Herkunft keine Rolle spielt. Eine Welt, in der nicht das wirtschaftliche Wachstum das Maß aller Dinge ist, sondern das Wohlergehen von Mensch, Tier und Natur.
Max: Die K.I. erleichtert unseren Alltag derart, sodass alle Menschen nur noch fünf Wochenstunden arbeiten müssen. Das hat zur Folge, dass alle ihre Chance wahrnehmen sich selbst zu verwirklichen und das Ergebnis wäre, dass weder Missgunst noch Neid das Weltgeschehen und den Alltag bestimmen. Die Menschheit liegt sich lachend in den Armen und feiert viele Feste.
Ruth: Hoffentlich eine Welt geprägt von Gerechtigkeit und Zusammenhalt.
Frieder: Erstmal hoffe ich, dass die Zukunft auch vielen Unternehmerinnen gehören wird und dann fände ich es gut, wenn die Frage lauten würde: wie können Unternehmen die Zukunft mitgestalten?
Kristin: Unternehmen sollten auf Partizipation und Purpose statt auf Hierarchie und Status setzen. Es geht nicht mehr darum als Unternehmen effizient zu sein und Gewinne zu maximieren, sondern darum, Innovationen hervorzubringen und zum Gemeinwohl beizutragen. Das geht nur in einem angstfreien Raum, in dem jede:r gehört wird, sich einbringen kann und Sinnerfüllung findet.
Max: In dem sie sich auf die wahre grüne Revolution vorbereiten.
Ruth: Ich würde nicht sagen, dass sie sich vorbereiten sollen, sondern die Zukunft mit nachhaltigen Konzepten und Mut zu Veränderung mitgestalten sollten.
Frieder: Nachhaltigkeit hat, glaube ich, viel mit der Bereitschaft und Priorisierung von Weitblick zu tun. Es geht darum sich Gedanken darüber zu machen und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was mein Handeln nicht nur kurzfristig, sondern auch in der ferneren Zukunft für Konsequenzen hat und es so auszurichten, dass es im besten Sinne zum Wohl aller und auch der zukünftigen Generationen beiträgt.
Kristin: Nachhaltigkeit bedeutet für mich, zum Gemeinwohl beizutragen. Das beinhaltet einen fairen und solidarischen Umgang mit allen Teilnehmer:innen in der gesamten Lieferkette, eine Wirtschaftsweise, die verantwortungsvoll mit Ressourcen umgeht und Arbeitsverhältnisse im eigenen Unternehmen, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.
Max: Unseren Planeten mit seiner wundervollen Artendiversität, trotz hohem Bevölkerungdruck, im Gleichgewicht zu halten.
Ruth: Ein Leben miteinander und nicht gegeneinander und so zu leben, dass nachfolgende Generationen auch noch ein lebenswertes Leben erfahren dürfen.
Frieder: Ich glaube, sie kann beides sein. Die Frage ist, was wir daraus machen und wie wir die damit einhergehenden Transformationen gestalten.
Kristin: Immer beides – es liegt an uns, was wir draus machen. Wenn wir Digitalisierung so einsetzen, dass wir mehr Zeit dafür haben, uns kreativ zu entfalten und das zu tun, was uns als Mensch ausmacht, dann ist die Digitalisierung eine riesige Chance, die uns viel Freiraum und Freiheit schenkt.
Max: Digitalisierung bedeutet Fortschritt. Sich dem Fortschritt zu versperren, ist wie paddeln ohne Paddel. Sinnlos.
Ruth: Kann eine Chance sein. Allerdings sollte nicht jede Art von Digitalisierung als alleinige Lösung für existierende Herausforderungen gesehen werden.
Frieder: Ich glaube, dass immer mehr Menschen anfangen, sich wieder dafür zu interessieren, wo die Dinge herkommen, die sie umgeben und wie und unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden. Nach meiner Wahrnehmung besteht ein größer werdender Wunsch nach einer Rückkehr zu einer Unmittelbarkeit im Gegensatz zu einer anonymen industriellen Produktion mit intransparenten Lieferketten und undurchsichtigen Produktionsprozessen. Da wir uns bei allen Produkten, die wir im Avenir anbieten, um Faktoren wie Regionalität, biologischer Anbau, handwerkliche Herstellung, gute Qualität und faire Entlohnung Gedanken machen, glaube ich auch sehr daran, dass wir zukunftsfähig sind, mit dem was wir tun.
Kristin: Eine Zukunft ohne Kaffee kann ich mir persönlich nicht vorstellen.
Max: Ja sicher.
Ruth: Durch den engen Kontakt zu Händler*innen, Produzent*innen und Kund*innen verfolgen wir ein faires, vertrautes und transparentes Miteinander im und außerhalb des Avenirs. Daher bin ich überzeugt, dass das Avenir zukunftsfähig ist. Ob Kaffee im Allgemeinen als Produkt langfristig zukunftsfähig ist, ist eine andere große Frage.